"The old men of Planxty are back definitely." Nachdem sich
Andy Irvine vor kurzem mit "Way Out Yonder" (Besprechung erfolgt,
sobald ich die CD von Klaus zurückbekommen habe aber vielleicht
schreibt Klaus ja auch selbst mal was?) grandios zurückgemeldet hat, liegt
nun eine Live-CD von Christy Moore vor von jenem Christy Moore, von dem
es noch vor gar nicht so langer Zeit hieß, dass er nie wieder einen Live-Auftritt
absolviert. Und was ist das für eine CD!!!
Zunächst mal: Im Westen nichts Neues. Wer sich neue Songs erhofft, wird
auf der CD keine finden. Das ganze Material besteht aus guten alten Bekannten,
schon x-mal gehört, und doch wieder aufregend neu.
Das liegt zum einen an den exquisit sparsam einfühlsamen Arrangements,
die die drei verantwortlichen Musiker hinzaubern. Dabei sind außer Moore
Donal Lunny (wie könnte es anders sein) und Declan Sinnott, zwei "alte"
Haudegen also, die ein Großteil dessen produziert haben, was in der irischen
Folkmusik gut und spannend war, zwei alte Weggefährten Christys zudem,
die sich mit "ihrem" Sänger blind verstehen. Da steht eine Einheit
auf der Bühne, alles kommt aus einem Guss, kein Ton zu wenig und
vor allem kein überflüssiger zu viel. Alles steht im Dienste
der Sache, des Songs, kein selbstverliebtes Sich-Produzieren, kein vages Herumtasten.
Die drei gesetzten Herren wissen genau, was sie wollen.
Das Moore-Lunny-Sinnott-Trio will Geschichten erzählen, den Zuhörer
musikalisch "bei der Stange" und atemlos halten, auch wenn dieser
die Geschichten schon hundert Mal aber eben nicht so gehört
hat. Und das alles mit einer Leichtigkeit und Spielfreude, dass man auch über
eine "atmosphärelose" Stereoanlage das Gefühl eines Gemeinschaftserlebnisses
vermittelt bekommt.
Und so beginnt die CD folgerichtig mit "Continental Céilidh",
dem das ruhige McColl'sche "First Time Ever" folgt. Das Publikum wird
sodann erstmals bei "A Pair Of Brown Eyes" direkt mit einbezogen.
Für dieses Stück Shane McGowans scheint Christy Moore eine besondere
Vorliebe zu haben.
Apropos Publikum: Wer das "gewöhnliche" irische Konzertpublikum
kennt und noch nie auf einem Christy-Moore-Konzert gewesen ist, wird seinen
Ohren kaum trauen: Christy hat sich im Laufe seiner Karriere ein Publikum "erzogen",
von dem jeder Musiker nur träumen kann, es frisst ihm förmlich aus
der Hand. Was die drei Bühnenmusiker bei "Ride On" mit dem Saalpublikum
veranstalten, könnte ein Generalmusikdirektor mit einem Theaterchor auch
nicht eindrucksvoller hinbekommen.
Mit "Biko Drum" und "Allende" blickt Christy Moore auch
in diesem Konzert einmal mehr über den irischen Tellerrand: Apartheid und
Militärregimes sind auch heute längst nicht überwunden. Und Floyd
Westermans "Quiet Desperation" kann nach wie vor als Symbol für
die Lage der Indianer in Nordamerika verstanden werden.
"Wandering Aongus" (Text: W.B. Yeats) kann nach einem eher "internationalen"
Konzertteil als Einleitung des furiosen "irischen" Finales interpretiert
werden. Mit einer schmissig-leichten aktualisierten Version von "Lisdoonvarna"
über das mehrschichtige "Ride On" findet die CD ihren Abschluss
mit Noel Brazil's "Metropolitan Avenue", eines "tribute"
der drei Musiker an ihren verstorbenen Kollegen, der am selben Tag wie George
Harrison, aber fast ohne Presseresonanz verstarb. Eine Art Memento mori als
Ausklang einer CD, der Mensch mag zwar gehen, aber seine Musik bleibt, oder,
um es mit einem Songzitat zu sagen: "Sweet music roll on."
Der ehemalige Postangestellte Christy Moore beweist mit der CD "Live At
Vicar Street", warum ihn viele Menschen für den "Vater des (contemporary)
Irish Folk" halten. Wer seine mit Lunny und Faulkner aufgenommene LP/CD
"Live In Dublin" kennt, mag sie mit seinem neuesten Coup vergleichen:
"Live At Vicar Street" wirkt technisch wesentlich runder, die Atmosphäre
ist vielleicht etwas weniger familiär. Was aber auf jeden Fall geblieben
ist, ist die Faszination eines charismatischen Musikers.
Christy Moore: Live At Vicar Street. Newberry Recording (Sony). 2002.
508635.2. ca. € 21,75
(bei: http://www.irishmusicmail.com)