Sohn einer Irin und eines Engländers, beschließt der englische Comedy-Star
und Radioreporter Pete McCarthy Ende der 90er Jahre, die Stätten seiner
Schulferien wieder zu besuchen. Mit einem klapprigen Volvo macht er sich auf
den Weg entlang Irlands Westküste, von Cork nach Donegal.
"Geh nie an einem Pub vorbei, das deinen Namen trägt" ist eine
Reisegrundregel, von denen der Autor so einige mit sich herumträgt. Und
an Pubs mit dem Namen "McCarthy" in den unterschiedlichsten Schreibweisen
herrscht im Westen Irlands (und nicht nur dort) wahrlich kein Mangel. Doch nicht
allein hier sieht sich der Reisende mit einem Irland konfrontiert, das mitunter
nicht allzu viel gemein hat mit dem seiner Kindheitserinnerungen.
Die Reise startet in West Cork, wo McCarthy bei seinen Großeltern früher
(will heißen den späten 50ern und frühen 60ern) die Ferien verbrachte.
Dabei dienen im drei Fixpunkte als Spiegel seiner Erinnerung: mystische Stätten,
Bed-and-Breakfast-Pensionen und eben Pubs.
Es wäre müßig, den Weg des Reisenden chronologisch nachzuvollziehen:
Es ist keine stringente Entwicklungsreise, es sind vielmehr Episoden, die schlaglichtartig
tiefere Einblicke in den Wandel ermöglichen, dem Irland in den letzten
Jahrzehnten ausgesetzt war und ist.
Und hier liegt zweifellos McCarthy's Stärke, im heiter Anekdotischen, das
doch so oft die Oberfläche zu durchdringen vermag nicht umsonst
ist William Thackerays Irish Scetchbook einer seiner literarischen Reisebegleiter.
So ist es ausgerechnet eine Siedlung alternativer Engländer, die weiland
dem Thatcher-England den Rücken kehrten, die seiner Erinnerung an das ländliche
Irland der 60er Jahre am nächsten kommt.
Die Bilder in den Bed-and-Breakfast-Pensionen von Papst und John F. Kennedy
sind längst ergänzt oder abgelöst von denen, die Manchester United
oder deren irischen Stürmer Roy Keane zeigen.
Die irische Pub-Gesellschaft vergnügt sich zur Musik von James Last und
Abba, während die traditionelle Musik von Franzosen, Deutschen oder Holländern
gespielt wird.
Und meine Lieblingsanekdote: McCarthy schimpft in einem Pub (im inneren Monolog)
über seine bescheuerten Landsleute, die die Kartoffeln aus Ägypten
importieren, wo sie doch die besten Kartoffeln der Welt direkt vor der Haustüre
haben. Er genießt sein Abendessen mit diesen "besten Kartoffeln der
Welt", um beim Verlassen des Pubs zu erfahren, dass sie aus Ägypten
sind.
Irland hat sich zweifelsfrei als europäische Nation etabliert. Dass dies
nicht ohne Wandel und Veränderung abging, muss Pete McCarthy öfter
konstatieren, als ihm lieb ist. Die "Sehnsucht nach der Insel" wurde
und wird gnadenlos vermarktet, und doch findet der Autor immer wieder Momente,
wo er das Irland erfährt, das er sich als Heimat so sehr wünscht.
So zum Beispiel bei der Besteigung des "Croagh Patrick", des heiligen
Berges der Iren, trotz oder gerade wegen der teilweise absurd anmutenden Beweggründe
seiner Mit-Pilger, und nicht zuletzt im "St. Patrick's Purgatory",
einem dreitägigen organisierten Fasten und Beten auf einer Insel im Lough
Derg in Donegal.
Nicht zufällig sind es immer wieder die mystischen und religiösen
Stätten, die dem Reisenden die innere Ruhe geben immerhin wurde
er von Priestern erzogen, und Priester sind es auch, die während seiner
Irlandreise so unsägliche Schlagzeilen machen.
Aber vielleicht ist Irland irgendwo ja doch noch der Ort, an dem die Grenze
zwischen der Alltagshektik und dem, was in dem Buch mal als Feenwelt bezeichnet
wird, fast durchlässig wird, an dem der Mensch nicht (nur) von außen
getrieben wird, sondern sich auch von innen treiben lassen kann.
Pete McCarthy hat jedenfalls in Irland die innere Ruhe gefunden, ein Erstlingswerk
zu schreiben, das einen beim Lesen fast immer schmunzeln, oft laut herauslachen
und an einigen Stellen überrascht nachdenken lässt.
Pete McCarthy: McCarthy's Bar. Mein ganz persönliches Irland. Aus dem Englischen von Bernhard Robben. München: Piper Verlag (Malik) 2002, € 19,90