Der irische Fotograf Fergus Bouke lebt und arbeitet in Galway. Nach Arbeiten
zusammen mit Edna O'Brien und John O'Donohue und einer Veröffentlichung
einer Sammlung von Porträts hat er nun eine Sammlung von Irland-Fotos zusammengestellt,
die Bettina Lemke mit Texten aus und über Irland illustrierte.
Ein Fotoband über Irland mit ausschließlich Schwarzweiß-Fotos?
Zunächst war ich da doch skeptisch, konnte ich mir nicht so ganz vorstellen,
wie man die berühmten "fourty shades of green" auf diese Weise
atmosphärisch einfangen könnte. Doch ich wurde schnell eines Besseren
belehrt. Am Ende des Bandes stelle ich mir nun die Frage, wie man überhaupt
auf die Idee kommen konnte, Irlands "wild beauty" in Farbfotos darzustellen.
Fergus Bourke ist ein Zauberer und sein Zauberstab ist die Kamera. Und wer könnte
besser geeignet sein als ein Zauberer, um die verzauberte und die bezaubernde
Schönheit eines Landes einzufangen, von dem Padraic Colum sagt, es sei
das "Land der Elfen". Eine schwermütige Schönheit, beschwört
doch das Auge des Fotografen eine Welt, die zurzeit im Begriff ist, mehr und
mehr verloren zu gehen.
Es sind mystische Szenarien, für die sich Bourke interessiert. So ist es
auch nicht das städtische Leben, das er mit seinem Objektiv einfängt,
es sind fast ausnahmslos Landschafts- und Porträtaufnahmen, die er präsentiert.
Und selbst das einzige Bild mit einem städtischen Bezug drei spielende
Kinder vor einer Mauer mit einer verwaschenen Hafenanlage im Hintergrund, im
linken Vordergrund des Bildes beherrscht eine altertümlich anmutende Straßenlaterne
die Szene ist alles andere als ein Stadtbild. Es sind allesamt "Seelenbilder",
und insofern ist der etwas pathetisch anmutende Titel des Buches genau zutreffend.
Ob es nun verkarstete Landschaften mit bizarren Steinen, deren Kontraste mit
Filtern bis fast zur Schmerzgrenze gezeichnet werden, sind, ob es Landschaften
sind, die aufgrund von Lichtreflexinszenierungen wie unendliche Wüstenlandschaften
erscheinen hierzu eine treffende Illustration aus der Feder Colm Tóibíns:
"Zwar ist Irland klein, aber kein Ire glaubt das wirklich." ,
ob es in Dunst getauchte Steingräber sind, sobald sich der Blickwinkel
der Kamera erweitert, trifft man immer wie-der auf ein zentrales Motiv der Fotografie
Bourkes: die Wolken. Die nehmen den Bildern durch ihre Dynamik jeglichen Stilllebencharakter,
der Betrachter wird von ihnen förmlich angesprungen. Dabei sind die Übergänge
manchmal fließend, oft verschwindet der Horizont, man erkennt nicht auf
den ersten Blick, wo die Landschaft endet und der Himmel beginnt. Und ähnlich
ergeht es einem bei den beiden Wellenbildern des Bandes, auch hier bilden Wasser
und Himmel gleichsam eine Einheit.
Und da gibt es noch die wenigen Porträtfotos, Kinder zumeist, auch eins,
zwei ältere Männer. Würdevolle, ja stolze Porträts, dabei
ruhig, in sich ruhend, gänzlich ohne Pathos. Als Quintessenz des Buches
könnte man das Mädchengesicht auf Seite 92 bezeichnen, illustriert
durch ein Zitat aus einem Merian-Artikel Reinhard Ulbrichs: "Wenn dieses
Land Gesichter zeichnet, werden nicht selten großartige Gemälde daraus."
Leider sind nicht alle literarischen Illustrationen von solcher Kürze und
Prägnanz. Dabei sind sie sehr sensibel ausgewählt, doch einige wenige
Male hat sich die Herausgeberin von der Metaphorik des Sprachwerks hinreißen
lassen. Und das verleiht der sprachlichen Illustration mitunter eine Eigendynamik,
die die Harmonie von Bild und Text stört. Aber das ist auch die einzige
kleine Schwäche des Büchleins.
Fergus Bourke liebt sein Irland in seiner mystischen Wildheit, er bewundert
die einzigartigen Szenarien, die das Zusammenspiel der Elemente Erde, Wasser
und Luft in seiner Heimat oft bietet, und er ist stolz auf die Menschen seiner
Insel. Und vor allem: Er vermag all dies mit Hilfe seiner Kamera anderen Menschen
mitzuteilen.
Die Herausgeberin beschließt den Fotoband mit einer Landschaft im Schnee
und einem Auszug aus Ralph Giordanos "Mein irisches Tagebuch", von
dem hier ein Satz zitiert sein soll: " Ja, ich fürchte den Einzug
der Moderne und ihre einebnende Technokraft und habe gleichzeitig doch großes
Vertrauen in die Beständigkeit des irischen Volkscharakters, mag es an
den Rändern auch Einbußen geben." Wer sich Fergus Bourkes Fotografien
in "Die irische Seele" betrachtet hat, weiß, worauf Giordano
seine Zuversicht gründet.
Fergus Bourke: Die irische Seele. Herausgegeben von Bettina Lemke. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2000, € 13,